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Verständnis und Anerkennung für das Ehrenamt gefordert.

Heppenheim/Bergstrasse. Durch das alte E-Werk hallte ein vielstimmiges Plädoyer für die gesellschaftliche Anerkennung freiwilligen Engagements. Im Heppenheimer Wicom-Forum trafen sich am Freitag Entscheidungsträger aus großen deutschen Hilfsdiensten und Wohlfahrtsverbänden, um sich zum Thema „Wirtschaft und Ehrenamt“ auszutauschen.
Die Abteilung Ehrenamt war deutlich in der Überzahl, was die Botschaft des Aktionstages aber umso nachdrücklicher unterstrich: Ohne gemeinnützige Hilfsorganisationen und bürgerschaftlichen Einsatz müssten viele Bereiche des öffentlichen Lebens um ihre Existenz bangen.
Was am Mittag in Bensheim mit einer Art Leistungsschau der Hilfsorganisationen begonnen hatte (wir berichteten), wurde am Abend mit einer Grundsatzdiskussion fortgesetzt. In kurzen Impulsreferaten wurden gesellschaftliche Sinnhaftigkeit und persönlicher Nutzen des Ehrenamts aus verschiedenen Perspektiven untersucht. Ziel der Veranstalter war, die Anerkennung von freiwilligem Engagement zu stärken und seine gesamtgesellschaftliche Bedeutung in die Chefetagen der deutschen Wirtschaft zu tragen.

Wichtige gesellschaftliche Stütze

„Wir müssen das Humanvermögen ökonomisch besser nutzen und die Rolle des Ehrenamts als gesellschaftliche Stütze stärker in die Köpfe bringen“, so Dr. Brian Fera, Bergsträßer Sektionssprecher im Wirtschaftsrat Hessen sowie Organisator der Veranstaltung. Ähnlich wie in den USA müsse das Ehrenamt ein fester Bestandteil der nationalen Kultur und freiwillige Arbeit („Volunteering“) als außerbetriebliche Qualifikation anerkannt und gefördert werden. In der Schweiz können Führungskräfte aus der Wirtschaft aktiv in sozialen Institutionen mitarbeiten, in Großbritannien nutzen Unternehmen das Volunteering zur Förderung der Kompetenzen ihrer Mitarbeiter, erklärte Fera vor zahlreichen Gästen in Heppenheim.
Bei den geladenen Referenten stieß der Gastgeber offene Türen ein. Der Vizepräsident des Malteser Hilfsdienstes, Dr. Edmund Baur, bezeichnete die Nutzung von ehrenamtlich eingebundenen Bildungsmaßnahmen als „wahre Sozialkompetenz“. Der vergütungsfreie Dienst an der Allgemeinheit dürfe nicht in eine exotische Nische gesteckt und von der Politik gelegentlich gestreichelt werden: Das Ehrenamt solle nicht als „besondere Leistung“, sondern als Ersatz staatlicher Aufgaben verstanden werden. Gesetze, durch die ein Ehrenamtlicher dem Arbeitnehmer gleichgestellt würde, müssten korrigiert werden.
Für bessere Rahmenbedingungen plädierte auch der DRK-Bundesarzt Dr. Karl Demmer: „Der Staat soll nicht zahlen, sondern anerkennen.“ Dienstfreistellungen und Lohnfortzahlungen müssten für jeden gelten, der sich außerhalb seiner Berufstätigkeit gesellschaftlich engagiert. Demmer betonte die zentrale Forderung des Abends, als er erklärte, dass das Ehrenamt nicht zum Hemmnis bei der Arbeitssuche werden darf: Wer einen Bewerber ablehnt, um eventuelle Dienstausfälle zu vermeiden, der handele letztlich gegen das Miteinander von Ehrenamt und Wirtschaft.
Zumindest in Wirtschaftskreisen umstrittener dürfe der am Freitag wiederholt geäußerte Anspruch sein, dass bürgerschaftliches Engagement als Persönlichkeitsbonus fettgedruckt in die Bewerbervita gehört und in Personalabteilungen privilegiert behandelt werden soll, sprich: Bei gleicher Qualifikation sei der Ehrenamtliche zu bevorzugen.
„Wir brauchen mehr Verständnis der Wirtschaft“, sagte Prof. Dr. Horst Wilms von der Johanniter Unfallhilfe. Statt kurzlebiger Luftblasen wie einem „Jahr des Ehrenamts“ oder der Einrichtung eines Sonderbeauftragten müssten gemeinnützige Leistungen von allen und dauerhaft gewürdigt werden. So wie der Staat durch das Ehrenamt Geld spare, so müsse auch in Unternehmen das unsichtbare Potenzial der Ehrenamtlichen erkannt werden.
„Ehrenamt und Wirtschaft sind kein Gegensatz“, so der THW-Vizepräsident Rainer Schwierczinski.
Der Kreisbeigeordnete Gottlieb Ohl lobte die Veranstaltung als kreisweit bislang einmaliges Treffen. Der (ehrenamtliche) Bergsträßer Dezernent für Gefahrenabwehr bezeichnete die anwesenden Hilfsdienste und Organisationen als „Einheit im Geist“. Wie Brian Fera mitteilt, soll der Aktionstag im nächsten Jahr fortgesetzt werden.

Von unserem Mitarbeiter
Thomas Tritsch
Bergsträßer Anzeiger vom 15.11.2008

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